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Reviews from the German music magazine “SOUNDS”

Fairport Convention: Unhalfbricking

Dieses Album ist nach oftmaligem Hinhören zu einer meiner Lieblingsplatten geworden. Besonders gefällt, wie aus einfachen Folk-Elementen mit Hilfe des harten Rocks und einer drohnenhaften Melodielinie eine beinahe indische Stimmung entsteht, die beim Zuhörer mancherlei Assoziationen entstehen lässt. Sandy Denny gehört zu den besten Pop-Sängerinnen, seit sie Stücke wie Dylans Million Dollar Bash und die Eigenkomposition Who Knows Where The Time Goes? aufgenommen hat.

- 1970

Fairport Convention: Liege and Lief

Liege and Lief heißt das letzte Album der Fairport Convention, und es entstand, kurz bevor Sängerin Sandy Denny die Gruppe verließ. Wenn Sie auf ihrer LP Unhalfbricking das Stück A Sailor's Life mögen, so ist dieses Album genau das Richtige für Sie, denn hier wird in der Art von Sailor's Life fortgefahren. Die Idee, die hinter Sailor's Life steckt, nämlich Folkmusik improvisatorisch in den Griff zu kriegen, wird über das ganze Album mit allen Variantionsmöglichkeiten ausgearbeitet.

- 1970

Fairport Convention: Full House
Fotheringay

Diese beiden Alben sind eine Ergänzung zum SOUNDS-Artikel über den neuen Folk-Rock in England in der Nummer 19. Beide Bands haben ein und denselben Stammbaum, beide Gruppen resultieren aus der Ur-Besetzung der früheren Fairport Convention.

Bei den englichen Bands, die diese Art Musik pflegen, sollte man besser nicht von Country-Rock, sondern treffender von Folk-Rock sprechen. Während nämlich die amerikanischen Country-Rock-Bands Rock mit Country-Elementen verbinden, bauen britische Bands wie diese beiden ihre Musik auf folkloristischen Elementen der traditionellen irischen, schottischen, walisischen und englischen Volksmusik auf. Darin liegt der Unterschied zwischen Briten und Amerikanern.

Und auch zwischen Fairport Convention und Fotheringay gibt es einen kennzeichnenden Unterschied. Bei Fairport ist Gesang und Instrumentalmusik gleich wichtig, das Tänzerische und Spielerische der britischen Volksmusik kommt bei ihnen stärker zur Geltung. Bei Fotheringay stehen die Stimmen (und Gitarren) von Trevor Lucas und Sandy Denny im Vordergrund, alles andere ist schmückendes Beiwerk.

Für mich ist Fairport Conventions Art, den Folk-Rock zu spielen, reizvoller. Doch nichts, so scheint mir nach Anhören dieser beiden Platten, geht über die alte Fairport Convention-Besetzung mit Sandy Denny, Dave Swarbrick, Ashley Hutchings, Richard Thompson und Simon Nicol.

Noch ein Wort zur Fotheringay-LP. Sängerin Sandy Denny ragt bei dieser Platte kaum mehr solistisch heraus wie auch Trevor Lucas. Sie erscheint wie ein Mitglied der Band, nicht wie der Star. Um so unverständlicher ist mir, dass die Leser des “Melody Maker” sie zur britischen Sängerin des Jahres gewählt haben.

- Annegret Maas, 1971

El Pea

El Pea (wahrscheinlich lautmalerische Schreibweise von LP) heißt der neue Doppelalbum-Sampler von Island. Er gibt einen treffenden Überblick über das ausgewogene Programm der Firma, das einen Großteil der wichtigsten englischen Gruppen umfasst.

Wie bei dem vorherigen Sampler Bumpers sind auf El Pea neben Ausschnitte aus bereits veröffentlichten Alben auch einige Vorausblicke auf demnächst zu erwartende Alben zu hören: von Fairport Convention das folkloristische Lord Marlborough, von Sandy Dennys erstem Soloalbum Late November, von Alan Bown das hervorragend arrangierte Thru The Night, Jimmy Cliff singt die Dave Mason-Komposition Can't Stop Worrying Can't Stop Loving, mit Tir Na Nog wird eine neue Gruppe vorgestellt, und eins der schönsten Stücke ist Sudden Street von der neuen Bronco-LP.

- Michael Wallossek, 1971

Southern Comfort: Frog City
Ian Matthews: If You Saw Thro' My Eyes

Wenn Mitglieder einer Gruppe sich trennen, sind meistens unüberbrückbare Gegensätze die Ursache. Das scheinen auch die Platten von Southern Comfort und von Ian Matthews zu bestätigen. (…)

Zarter, feinfühliger und lyrischer wirken Ian Matthews' Songs auf If You Saw Thro' My Eyes. Die hier vermittelten Gefühle sind unaufdringlicher, stärker introvertiert. Matthews könnte eine Art englisches Gegenstück zu amerikanischen Songinterpreten wie Neil Young oder James Taylor werden. Seine Stimme ist sehr angenehm zu hören.

Die ausgezeichnete Begleitgruppe, in der bei einigen Songs Keith Tippett und Sandy Denny mitwirken, kommt am besten bei den längeren Stücken zur Geltung und schafft dann ein spannungsvolles Zusammenspiel, das ähnlich mitreißen kann wie die stärksten Passagen des Crosby, Stills, Nash & Young-Doppelalbums.

- Michael Wallossek, 1971

Fairport Convention: Angel Delight

Außer Fairport Convention kenne ich z.Zt. keine andere englische Gruppe, auf die das Etikett “Folkrock” zutreffen würden. Bei keiner anderen britischen Gruppe treffen die Kontraste von weichen Folkmelodien und der Expressivität des Rock so hart aufeinander.

Das ist ihr zweites Album nach dem Weggang von Sandy Denny und nach der radikalen Neuformierung. Es ist wesentlich präziser und stilistisch profilierter. Die musikalische Einheit ist wiederhergestellt, im Gegensatz zur vorherigen Fairport-LP ist die Musik erstaunlich flüssig und zusammenhängend. Solistisch ragt besonders Geiger Dave Swarbrick heraus, dessen Country-Fiddler-Show mir jedoch zu technisch-kühl, also ohne Feuer erscheint. Da ziehe ich den Lindisfarne-Geiger Rod Clements vor.

- Zok Zokker, 1971

Led Zeppelin: IV

Nur eine Gruppe, deren Alben schon zehntausendfach vorausbestellt werden, kann es sich leisten, eine Platte mit ganz neutralem Cover ohne jeden Hinweis auf den Interpreten herauszubringen.

Genau wie auf dem vorigen Album wird ein Teil der Stücke nur mit akustischen Gitarren und Mandolinen vorgetragen. Robert Plants Stimme wirkt dabei viel entspannter als sonst, ohne diesen leicht hysterischen Beigeschmack. Vor allem in The Battle Of Evermore, wo Plant von Sandy Denny begleitet wird, macht sich das bemerkbar.

Der andere Teil der Platte bietet traditionelle Rockmusik bekannter Machart.

- Michael Wallossek, 1971

Sandy Denny: The North Star Grassman And The Ravens

Sandy Denny, den Freunden des Folkrock sicher noch von Fairport Convention bekannt, hat mit The North Star Grassman And The Ravens ihr erstes Soloalbum auf den Markt gebracht.

Die elf Songs auf ihrer LP sind außer einem von Dylan und einem von Charles Robins alle von ihr selbst geschrieben und erinnern stark an ihre Zeit bei Fairport Convention. Wie sollte es auch anders sein, denn außer Richard Thompson spielen auch die Musiker von Fotheringay mit. Durch diese beiden Gruppen ist der Begriff Folkrock wohl erst ins Leben gerufen worden.

Man vermisst bei dieser Studiobesetzung etwas den Drive, den man von solchen Musikern eigentlich erwartet hätte. Abgesehen von einem Stück sind die Titel sehr langsam und gefühlvoll gespielt. Sehr gut gefällt mir Next Time Around, wo ihre herrliche Stimme von einem wirkungsvoll arrangierten Streichersatz begleitet wird.

- Harry Unte, 1971

The Bunch: Rock On

Man nehme ein paar Ex-Fairport Convention und Ex-Fotheringay-Leute, füge Tony Cox, Linda Peters, Ian Whiteman und die Dundee Horns hinzu, schüttle alles kräftig durch - und man erhält eine überaus fröhliche Rock'n'Roll-Platte von Leuten, von denen man so etwas gar nicht erwartet.

Wie kam diese wohl zu Recht als Unikum zu bezeichnende LP zustande? Als nach einem Fairport-Konzert im vorigen Jahr im Rainbow Theatre eine Zugabe verlangt wurde, gesellten sich zu den Fairport-Musikern einige frühere Gruppenmitglieder und Freunde, die ebenfalls zu den Folk-Rock-Leuten zählen. Alle zusammen spielten zur Überraschung der Fans waschechten Rock'n'Roll, wie er zu ihrer Schulzeit populär gewesen war.

Trevor Lucas (Ex-Fotheringay) gefiel dieses ausgelassene Zusammenspiel der Folk-Leute so gut, dass er eine Plattenaufnahme vorschlug und auch durchführte. Mit Richard Thompson und Sandy Denny durchsuchte er alte Rockplatten nach geeigneten Stücken. So kam eine ganze Menge wohlbekannten klassischen Rockmaterials zusammen: Chuck Berrys Nadine, Buddy Hollys Learning The Game und Love's Made A Fool Of You, Williams' Jambalaya (On The Bayou) u.v.a., insgesamt 12 Stücke.

Es ist faszinierend zu hören, mit welchem Schwung, mit welcher Spielfreude die Folk-Rock-Musiker darangehen, die Rock-Hits von einst aufzuwärmen, die ja gewissermaßen zu den Wurzeln ihrer eigenen Musik gehören. Und es ist erstaunlich, um wieviel besser sie mit diesen Songs fertigwerden als mancher eche Rock'n'Roller.

Jeder, der die Folk-Seite des Folk-Rock kennt, sollte sich die Rock-Seite nicht entgehen lassen. Eine Darbietung, wie sie mit Rock On vorliegt, kommt so bald nicht wieder.

- Carmen Doyle, 1972

Sandy Denny: Sandy

Sandy Dennys Talent hat viele Nuancen, und ihr zweites Soloalbum breitet das Spektrum ihres Könnens in aller Farbigkeit vor uns aus. Leider fängt die Platte nur wenig von der Ausstrahlung ein, die diese sympathische Sängerin und Komponistin in ihren Konzerten umgibt, doch die Schönheit der Musik führt rasch über diesen Mangel hinweg.

Obwohl Sandys Live-Auftritte neuerdings ohne Begleitmusiker stattfinden, ist die neue LP voll von reich gestalteten Arrangements, bei denen namhafte Leute wie Richard Thopmson (Gitarre, Mandoline) und Dave Swarbrick (Violine) mitwirken. Auch ein Musiker von Fotheringay, Sandys früherer Gruppe, ist mit von der Partie: Pat Donaldson (Bass). Ich muss gestehen, dass mich die musikalische Verbrämung der Songs anfänglich störte, vor allem gingen mit Allen Toussaints brass arrangements und Harry Robinsons Streicher (z.B. in The Lady und Bushes & Briars) gegen den Strich. Nach mehrmaligem Hören zeigt sich aber, dass der Reiz der Platte zum Teil gerade auf den verschiedenen Akzenten beruht, mit denen die Instrumentierung Sandys Songs hervorhebt. Der instrumentale bzw. orchestrale Hintergrund ist für jedes Stück individuell durchdacht, d.h. der einzelne Track bekommt das Arrangement, das ihm gemäß ist. So kann es auch geschehen, dass Sandy Richard Fariñas Quiet Joys Of Brotherhood ohne Begleitung zu einer traditionellen Melodie vorträgt, weil es der wirkungsvollen Einfachheit des Liedes entspricht. Lediglich Dave Swarbricks Folk-Violine greift das Thema am Schluss noch einmal auf. Dem Dylan-Song Tomorrow Is A Long Time verleiht dagegen Pete Kleinows Arbeit auf der pedal steel guitar ein weiträumiges Feeling. Unterschiedliche Stücke wie das balladeske Sweet Rosemary und das rockige For Nobody To Hear stehen erstaunlicherweise nebeneinander, ohne die Ausgewogenheit, die Einheitlichkeit der Platte zu gefährden. Der Grund dafür liegt vielleicht darin, dass jedes Stück auf Sandy Dennys Persönlichkeit konzentriert bleibt. Ihre unnachahmliche, ein wenig melodramatische Stimme ist der rote Faden, der die LP von Anfang bis Ende durchläuft.

Während The North Star Grassman And The Ravens, die erste Soloplatte, noch ein bisschen im luftleeren Raum schwebte, dieses und jenes ausprobierte und dabei manchmal in Extreme verfiel (vgl. das Titelstück und Let's Jump The Broomstick), ist mit dem vorliegenden Album ein voll abgerundetes Portrait von “Britain's First Lady of Song” entstanden. The North Star Grassman And The Ravens verhält sich zu Sandy etwa wie die Kladde zur Reinschrift.

Außer den genannten Dylan- und Fariña-Liedern stammen übrigens alle Stücke aus Sandys Feder. Ich möchte hier keine Auswahl treffen; es ist schwer zu sagen, welche Songs die besten sind.

Es sieht ganz so aus, als ob Sandy Dennys langjährige Suche nach perfektem musikalischem Ausdruck zu einem vorläufigen Ziel gekommen wäre. Den Erfolg darf man ihr wünschen.

- Carmen Doyle, 1972

Fairport Convention: Rosie

Wer Fairport Convention für eine Folk-Rock-Band hält, hat nur noch teilweise recht. Immer weiter entfernt sich die Gruppe von ihrem einstigen Stil, der hin und wieder in den Jigs The Hen's March Through The Midden & The Four Poster Bed und Peggy's Pub zum Durchbruch kommt. Der Hen's March, einziges traditionelles Stück, ist lustig und originell; er passt sich - so wie die Fairports ihn spielen - den übrigens Songs gut an.

Vom grandiosen Schwung früherer Jigs'n'Reels ist allerdings nicht mehr viel da. Wahrscheinlich liegt es an den personellen Veränderungen, die Fairport Convention in letzter Zeit durchmachte. Jedenfalls ersetzt Leadgitarrist Jerry Donahue den einfallsreichen Richard Thompson nur unvollkommen. Und selbst der unermüdliche, agile Dave Swarbrick ist “entschärft”: er hat seine sentimentale Ader entdeckt. Man erfährt das durch Rosie, den Titelsong, der die A-Seite eröffnet. Swarbrick hat das Stück geschrieben, und es ist in seiner Art nicht schlecht. Nur wäre es besser gewesen, Sandy Denny die Leadvocals singen zu lassen. Ihre ausdrucksvolle Stimme, die hier in den Hintergrund verbannt ist, hätte das farblose Stück verbessern können. Für meinen Geschmack drängt sich Swarbs quäkiger Gesang überhaupt viel zu sehr in den Vordergrund. Es ist direkt herzerfrischend, zur Abwechslung einmal Trevor Lucas' voller Stimme zuzuhören, z.B. in seinem Stück Knights Of The Road. Lucas' Lieder gefallen mir beide recht gut, obwohl (oder gerade weil) sie sehr schlicht sind. Das zweite, The Plainsman, ist melodisch bereits von den Folksongs Come All Ye Tramps And Hawkers und The Durham Lockout bekannt. Die traditionelle Melodie ist auf dem Cover nicht vermerkt. Der Text entstammt thematisch Lucas' australischer Heimat.

Die B-Seite beginnt mit Hungarian Rhapsody, einer Dave Pegg-Komposition. Schön kitschig in Melodie und Text:

Oh what a time we had down by the Danube,
Eating our Goulash and drinking our wine,
Listening to gypsy bands…

bereitet es den Hörer auf den absoluten Knüller der Platte vor, Dave Swarbricks Super-Nostalgie-Stück Me With You. Hier passt Swarbs Stimme hin wie sonst nirgends. Wenn er unbedingt etwas anderes spielen muss als traditionellen Folk (den er besser beherrscht als alles, was auf Rosie zu hören ist), dann liegt er mit Me With You richtig. Dem Stück ist ein Rag unterlegt, der von Ralph McTell gespielt wird; vielleicht, weil die eigenen Gitarristen ihn nicht auf die Beine bringen? Den “aah-uuh”-Hintergrund singen The Swarbrick Brothers, Dave, Cyril und Eric.

Zu einer objektiven Berichterstattung von Fairport Conventions neuer Richtung kommt man am leichtesten, wenn man alles vergisst, was man sich bisher unter dem Sound der Gruppe vorstellte. Die Grundstimmung von Rosie ist nostalgisch, schon äußerlich erkennbar durch pastellfarbenes, rüschengeschmücktes Cover. Obwohl keine Glanzleistung, ist die Platte doch hörbar. Der Grund hierfür liegt in der geschickten Mischung der Stücke.

- Carmen Doyle, 1973

Fairport Convention: Nine

Mit ihrer neunten Langspielplatte ist es Fairport Convention gelungen, wenigstens teilweise wieder and ihre früheren Erfolge von Liege and Lief und Full House anzuschließen. Die personellen Schwierigkeiten der letzten Zeit scheinen nun endgültig überwunden zu sein; mit Jerry Donahue (elektrische Gitarre), Trevor Lucas (akustische Gitarre), Dave Pegg (Bass und Mandoline) und Dave Mattacks (Schlagzeug) hat Dave Swarbrick wieder eine feste und inzwischen auch gut aufeinander eingespielte Mannschaft um sich versammelt.

Die Stärke der Band liegt nach wie vor bei den Traditionals. Davon profitiert vor allem die erste Seite dieser LP. The Hexhamshire Lass (nach Bob Davenport) beginnt im Stil eines herkömmlichen Folksongs, bis dann - wie in guten alten Fairport-Zeiten - urplötzlich elektrische Gitarre, Bass und Schlagzeug explodieren und eine gewaltige Spannung erzeugen, die sich in Swarbricks Fiddle-Solo wieder entlädt. Der Instrumental-Medley auf diesem Album lässt sich leicht als einer der besten Fairport-Stücke bezeichnen - nicht zuletzt wegen der hervorragenden Produktion durch Trevor Lucas. Er beginnt mit dem von Fiddle und Gitarre parallel geführten Brilliance Medley, dessen Thema von der elektrischen Mandoline übernommen wird, und geht dann nahtlos in den schwungvoll gespielten Cherokee Shuffle über.

Von Fairports Eigenkompositionen für ihre neunte LP ist besonders Tokyo hervorzuheben, ein leicht fernöstlich angehauchtes Instrumental, das (endlich einmal!) eine freiere musikalische Behandlung des Themas und ein ausgedehntes Gitarrensolo bringt. Diese - es ist übrigens die erste - Komposition Jerry Donahues zeigt die Richtung an, in der sich der Folk-Rock weiterentwickeln müsste, wenn er kreativ bleiben und sich nicht fortlaufend selbst reproduzieren will. Ganz gut gefällt mir auch Swarbricks To Althea From Prison nach dem stimmungsvollen Gedicht von Richard Lovelace (1642). Als sehr störend auf der sonst durchwegs starken ersten Seite wirkt sich dagegen Dave Peggs Polly On The Shore aus, das zu statisch ist, nicht von der Stelle kommt, weil ganz einfach die musikalischen Einfälle fehlen.

Auch die Stücke der zweiten Seite, von Lucas und Swarbrick geschrieben und vorgetragen, können sich - daran krankte ja im Grunde schon das vorletzte Album, Rosie - nicht über das Niveau des Durchschnitts erheben. Trotzdem erscheint mir Fairport Nine im ganzen als ein erfreuliches Produkt, denn es zeigt (insbesondere auf der ersten Seite) Ansätze zu einer Neubelebung des Folk-Rock, den manch einer schon totgesagt hatte.

- Bernd Rolf, 1973

Fairport Convention: Live

Für viele Rock-Musiker ist ein Live-Album so eine Art Notbremse. Man ist mit diversen Studioproduktionen in einer Sackgasse angelangt, das beste Rezept, da wieder rauszukommen, ist eine Live-Platte. Da bleibt bis zu den nächsten Studio-Aufnahmen etwas Zeit, um sich über den weiteren musikalischen Weg klar zu werden. Bei Fairport Convention ist es meiner Meinung so wie beschrieben. Es ist zwar sehr erfreulich, dass Sandy Denny zu der Gruppe zurückgekehrt ist (weil sie als Solistin nicht Fuß fassen konnte), aber das bringt natürlich auch Probleme mit sich.

Live ist im Sydney Opera House, im Rainbow Theatre und in der Fairfield Hall / Croydon aufgenommen worden. Von den neun Tracks der LP sind drei typische Fairport-Jigs (= Instrumentals). Die beiden Standard-Titel Matty Groves und Sloth (von Full House, der besten Fairport-Scheibe) sind in jeder Hinsicht enttäuschend. Überraschend frisch klingt jedoch der alte Chris Kenner-Song Something You Got, obwohl die Gruppe ziemlich genau die Version von Maxine Brown & Chuck Jackson kopiert.

Bei Fairport Convention kommt es auf die nächste Studioproduktion an: die Gefahr, dass die Gruppe in die anonyme Mittelmäßigkeit rutscht, ist nach diesem Live-Album sehr groß. Auch mit Sandy Denny!

- Joseph Schlögl, 1974

Fairport Convention: Rising For The Moon

Das neue Album der englischen Folk-Rock-Truppe bietet einen ausgewogenen Set überwiegend ruhiger und relaxter Titel, die ausnahmslos von Mitgliedern der Gruppe geschrieben wurden. 5 der insgesamt 11 Songs stammen aus der Feder Sandy Dennys, die nach einigen Jahren Solokarriere zu Fairport zurückgekehrt ist, an zwei weiteren hat sie mitgewirkt. Entsprechend groß (7 von 11) ist ihr Anteil an Lead Vocals - und sicher nicht zum Nachteil der LP.

Ihre leicht angerauhte Stimme harmoniert angenehm mit der sanften Melancholie, in der die meisten ihrer Lieder gehalten sind: After Halloween mit einem betrübten Violinsolo von Dave Swarbrick, Stranger To Himself, ein Nachgesang auf einen Selbstmörder, und One More Chance.

Abwechslung bieten die beiden Songs von Trevor Lucas - das fernwehromantische Restless:

There's something in the wind seems to call me like a friend,
So I guess that I'll be on my way, on my way again.

und Iron Lion, eine Eisenbahn-Hymne, die neben Sandy Dennys Rising For The Moon zu meinen Favouriten zählt - und die einfache Tanzweise Night-Time Girl von Dave Swarbrick, dessen Gesang (auch auf Let It Go) mich allerdings nicht sonderlich überzeugt.

Schrille Töne gibt's überhaupt nicht auf dieser Platte, die akustischen Instrumente bestimmen das Klangbild, dem Swarbricks Violine die für diese Gruppe eigentümliche Farbe gibt. Bemerkenswert Jerry Donahues elektrische Leadgitarre, die sich unaufdringlich in den Sound der Band einfügt.

Produziert wurde das Album von Glyn Johns.

- Michael Schlüter, 1975

Sandy Denny: Rendezvous

Das vierte Album der Ex-Fairport-Fotheringay-Sängerin. Für meinen Geschmack ihr schlechtestes. Leider. Ich mag ihre Stimme sehr, auch ihre Lieder; ihre Interpretationen von Fremdmaterial gefielen mir immer sehr gut. Trevor Lucas, der die Platte produziert hat und der ein alter Kumpel von Sandy ist, muss der Teufel geritten haben, als er diese stickigen, übertriebenen Arrangements zuließ. Sehr, sehr schade.

- 1977